Gründungsjahre
Die Notlage fränkischer Obstzüchter nach dem strengen Winter 1879/1880, der Tausende der wertvollsten Bäume vernichtet hatte, gab Kirchenrat Albrecht Eyring die nötige Motivation, einen Plan zur Förderung des Obstanbaues zu entwickeln. In Lipprichhausen, wo er, ein zielstrebiger Franke und begeisterter Obstbaufreund, seit 1877 als Pfarrer wirkte, begann seine Aufklärungsarbeit. Eyring empfahl Neupflanzungen auf bis dahin ungenutzten Weideflächen und Wegsäumungen, riet dazu, den Obstanbau im Großen zu betreiben, um ihm die Bedeutung zukommen zu lassen, die ihm, so Eyring, „… in der hiesigen Gegend durch Klima und Bodenbeschaffenheit von Natur aus angewiesen ist”. Schon bald hatte seine Idee, den Obstanbau zur vollen Entfaltung zu bringen, so viele Anhänger gewonnen, dass Eyring am 9. Januar 1883 die Gründung eines Vereins zur Förderung der Obstkultur vornehmen konnte, den „Obstbauverein Lipprichhausen” im Kreis Uffenheim (Mittelfranken). Damit war die Keimzelle der heute landesweit engagierten Organisation geschaffen und ein Schritt vollzogen, dessen landeskulturelle und ökologische Tragweite damals kaum jemand erahnen konnte.
Das von Eyring begonnene Werk, unterstützt von Hofgärtner Herr und Kirchenrat Engelhardt, machte rasch Fortschritte und setzte Impulse im ganzen Land. Vielerorts in Mittelfranken wurden Obstbauvereine gegründet, bei Versammlungen Edelreiser und Früchte verteilt, neue Möglichkeiten der Obstverwendung aufgezeigt. Bereits im Gründungsjahr seines Obstbauvereins schuf Eyring eine vereinseigene Baumschule, die die Mitglieder mit wertvollem Pflanzgut versorgte. Dadurch konnten die von umherziehenden Händlern erworbenen, meist minderwertigen Jungbäume allmählich ganz verdrängt werden.
Um der Unkenntnis auf dem Gebiet der Obstkultur auch in weiten Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung durch entsprechende Belehrung entgegenzusteuern, schuf Eyring die Einrichtung der „Wanderversammlungen”. Alljährlich im Frühjahr und Herbst zunächst in Pfahlenheim, dann auch in der weiteren Umgebung, fanden solche Zusammenkünfte statt, deren Besuch auch Nichtvereinsmitgliedern offenstand. In exzellenten Fachvorträgen, gehalten von Eyring, aber auch von namhaften Referenten der Landwirtschaftskammer und der Landwirtschaftsschulen, wurden alle wesentlichen Fragen der Obstkultur erörtert und obstbaupraktische Themen durch Übungen veranschaulicht, die bei der bäuerlichen Bevölkerung von größter Bedeutung waren.
Auf Eyrings Empfehlung wurden Obstmuttergärten angelegt, ein Edelreiserdepot geschaffen und in Triesdorf mit der Ausbildung von Baumwarten begonnen. Das rege obstbauliche Leben machte es notwendig, am 9. Januar 1893 den mittelfränkischen „Kreisverband für Obst- und Gartenbau” mit Pfarrer Eyring als Vorsitzenden zu gründen. Der 9. Januar war gleichzeitig auch der Geburtstag der „Monatsblätter für Obstbau”, die als Mitteilungsorgan von zunächst nur 12 Seiten die Vereine und den Verband zusammenhalten und dem gegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch dienen sollten. Der Bezug der Zeitschrift war für jedes Mitglied der zum Verband gehörenden Vereine verbindlich, so dass sich die Arbeit in den Vereinen nach einheitlichen Grundsätzen vollziehen konnte, und man die Erfahrungen anderer zu nutzen und eigene Fehler zu vermeiden vermochte. Dieses positive Beispiel in Mittelfranken trug auch in anderen Kreisen Bayerns rasch Früchte, so dass sich 1893 der oberfränkische Verband, 1894 der unterfränkische und ein Jahr später der oberpfälzer Verband organisierten.
Motiviert von der Idee, die Vereine in einer gefestigten Gemeinschaft zusammenzuführen, ergriff der mittelfränkische Kreisverband die Initiative. Am 20. November 1894 kamen in Nürnberg die Obstbaupioniere aus ganz Bayern zusammen und gründeten den „Bayerischen Landesverband für Obst- und Gartenbau” mit Pfarrer Eyring an der Spitze. Zu den Aufgaben dieser freien Vereinigung bayerischer Kreisobstverbände gehörte die gegenseitige Anregung und Förderung sowie die gemeinschaftliche Interessenvertretung der Mitglieder. Die vom mittelfränkischen Verband publizierten „Monatsblätter für Obstbau” wurden in der Folge vom Landesverband als eigenes Mitteilungsorgan übernommen. Unentwegt schritt der Aufbau der jungen Organisation fort. Die Mitgliederzahlen nahmen rapide zu. Schon im ersten Jahr schlossen sich 242 Vereine mit 11.410 Mitgliedern dem Landesverband an.
Von Anfang an war man in der Obstbauorganisation bemüht, versierte Mitarbeiter für die gemeinsamen Aufgaben zu gewinnen, forcierte die Errichtung von Obst- und Gartenbauschulen, was letztendlich im Ausbau der Lehranstalten Weihenstephan und Veitshöchheim gipfelte. Obstbaumpflanzungen wurden überall in den Gemeinden, auf Ödland, Viehweiden und an Straßen vorangetrieben. Für die Beratung waren daher ausgebildete Baumwärter, ebenso Bezirksbaumwärter (heute Kreisfachberater) notwendig, die Ausstellungen planten, den Obstverkauf organisierten und die Obstssorten bestimmten. Dem Ziel der Sortenbereinigung kam man durch Gespräche mit dem Verband der Baumschulen näher, die diesen Wünschen mit einem ausgiebigen Angebot ertragreicher Sorten entsprachen. Große Obstausstellungen zeigten die Erfolge der Beratung, ließen den Obstbau zunehmend an Beliebtheit gewinnen und mehrten das Ansehen des Verbandes.
Eyring wünschte, vor allem die Jugend für die Sache zu gewinnen und über die Schule als Vermittler die Liebe zum Obstanbau zu wecken. Große Billigung im Ministerium fand daher sein Vorschlag, Lehrer, Geistliche und Verwaltungsbeamte in Kursen mit dem erforderlichen Obstbaufachwissen vertraut zu machen. Denn in der damaligen Zeit gaben gerade die geistlichen Herren und Lehrer mit ihren Gärten Beispiel und Ansporn. Durch Weitergabe des Gedankengutes an die Jugend trugen sie wesentlich zum Stärkung der Obstbauorganisation bei.
1899 stellte der Landesverband den Obstbaulehrer Mertens als fachtechnische Hilfskraft an, der sehr bald vom Innenministerium zum bayerischen Landesinspektor für Obstbau bestellt wurde. Durch Bereisungen und anhand einer Fragebogenaktion gelang eine Bestandsaufnahme des Obstanbaues in ganz Bayern. Der Verband konnte Anbauempfehlungen für die einzelnen Kreise herausgeben und publizierte die von Mertens verfasste Schrift „Die Obstsorten in Bayern”. Einer, der Eyrings Werk in Mittelfranken bereits bestens unterstützt hatte, war der Lehrer Georg Ries, der später an der Kreisackerbauschule in Triesdorf wirkte. Seine besondere Vorliebe galt dem Obstbau, zu dessen Förderung er Wesentliches in Wort und Tat beitrug. Georg Ries, liebevoll „Vater Ries” genannt, hatte sein obstbauliches Fachwissen von Eyring erworben, unter seiner Anleitung gepflanzt, veredelt und Sortenkenntnisse erlangt. Ihm übergab Eyring 1920, wenige Tage vor seinem Tod, die Unterlagen der Obstbauorganisation.
Welches hohe Ansehen der Verband zu dieser Zeit bereits genießen konnte, zeigen die Namen der Vorsitzenden von 1899 bis 1907. Hofrat Kolb, ein Sohn des Herzog Max von Bayern, galt als anerkannter Fachmann und kundiger Pomologe. 1889 organisierte er eine große Landesobstausstellung und war 40 Jahre technischer Leiter des Botanischen Gartens in München. Neben zahlreichen Publikationen ist vor allem die Schrift „Der Schulgarten, dessen Nutzen und Einrichtung” zu erwähnen, die noch heute als hervorragend bezeichnet werden kann. Hofrat Flessa, 30 Jahre Bürgermeister von Kulmbach, lag die Stadtverschönerung durch Blumenschmuck in Gärten und an Fassaden besonders am Herzen. Unter seinem Vorsitz wurde der Ausbildung und Anstellung von Baumwärtern und Kreiswanderlehrern große Beachtung beigemessen. Der Verband unterstützte den Verkauf des von Mitgliedern erzeugten Obstes, veranstaltete in größeren Städten Obstmärkte und Obstausstellungen. In der obstbaulichen Aufklärungsarbeit widmete man sich verstärkt der Anlage von Obstspalieren an Häusern, Schulen und Fabrikgebäuden und kämpfte gegen den Hausierhandel mit Obstbäumen. Man versprach sich davon einen Nutzen für die Volksgesundheit und eine angenehmere Gestaltung der Ortschaften. Unter Dr. Karl Theodor Freiherr von Cetto-Reichertshausen erfreute sich die Organisation königlicher Protektion. Von 1908 bis 1917 zierte Prinzessin Ludwig von Bayern (es war üblich, den Namen des Ehemannes zu nennen), seit 1913 Königin Maria Theresia, jede Nummer der Monatsblätter.

Abbildung: Studienrat Georg Ries (1872-1947), Ehrenvorsitzender des Landesverbandes
Das Erbe Eyrings wurde in der Folgezeit von idealistisch gesinnten Männern bewahrt, die fachlich wie organisatorisch ihr Bestes zum Aufbau der Organisation gaben. Zu erwähnen sind unter anderem sein Nachfolger Kirchenrat Engelhardt, Studienrat Ries sowie die Obstbaulehrer Mertens und Rebholz. Neben der Förderung des Obstanbaues gewannen nun auch der Gemüsebau zur Selbstversorgung sowie die Ortsverschönerung durch Blumenschmuck zunehmend an Bedeutung. Geleitet von der Maxime „Arbeiten und nicht verzagen!” prägte Kirchenrat Engelhardt den Verband wie kein anderer. Er formulierte das Programm, schrieb obstbaufachliche Berichte und unterwarf von Zeit zu Zeit das Geleistete einem kritischen Blick. Ein Meilenstein seiner Tätigkeit war die Verfassung einer neuen Mustersatzung für die Vereine. Sie erleichterte die Eintragung ins Vereinsregister und ermöglichte damit den Erhalt von Zuschüssen der öffentlichen Hand für Prämierungen und Ausstellungen.
Erster Weltkrieg und Zeit zwischen den Kriegen
Mitten in dieser fortschrittlichen Entwicklung brach der erste Weltkrieg aus; eine Zeit, gezeichnet von Obstdiebstählen, Lebensmittelknappheit, Zwangsbewirtschaftung und Hamstersucht. Wieder einmal stand die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln an erster Stelle. Die reichen Ernten von 1914 und 1915 machten es möglich, dass sich die Vereine auf Initiative des Landesverbandes an der Belieferung der Lazarette mit Obst, Gemüse und Konserven beteiligten. Die Bedeutung des heimischen Obst- und Gemüseanbaues für die Ernährung der Bevölkerung kam deutlicher denn je zum Tragen und rechtfertigte den Idealismus engagierter Männer, die dies rechtzeitig erkannt hatten. Noch während des Krieges konnte in Holzapfelkreuth bei München ein Mustergarten für Obst- und Gemüseanbau angelegt sowie ein lange gehegter Wunsch, der Landesobstgarten in Theissing, verwirklicht werden.
Nach Kriegsende zwang der Kampf gegen ausländische Obstimporte zur Sortenvereinfachung. Mit Umveredelungen großen Stils hoffte man, auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. überall wurde der Ausbau neuer Musteranlagen unterstützt; die Zahl der Vereine und Mitglieder wuchs stetig. Der Verband war nun so stark geworden, dass er eine Geschäftsstelle und einen hauptamtlichen Geschäftsführer benötigte. Auch betätigte er sich im Verlagswesen, gab Bücher und Flugschriften heraus. Die ersten Lichtbildreihen wurden angeboten und die „Obga”, eine Obst- und Gartenbaubedarfs GmbH, in Leben gerufen. Die Einrichtung einer „Beratungsstelle für gärtnerische Obstverwertung” folgte. Die Einführung von Obstsortiermaschinen, einheitlicher Verpackungsgefäße, Verladekontrollen und Frachtvergünstigungen, Marktbeobachtung und Preisbildung erleichterten den Mitgliedern den Absatz ihrer Erzeugnisse. Auch der Genuss des Süßmostes erfreute sich zunehmender Beliebtheit. Von 1920 an erschien die Verbandszeitschrift, umbenannt in den „Wegweiser im Obst- und Gartenbau”, wöchentlich. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation, der Arbeitslosigkeit und zunehmender Verelendung stießen die seit der Gründung reihum in den Regierungsbezirken stattfindenden Landesverbandstagungen mit Fachvorträgen, Besichtigungs- und Unterhaltungsprogrammen auf großes Interesse.
Drittes Reich und zweiter Weltkrieg
Über den Landesverband im Dritten Reich zu berichten fällt schwer, zumal bei einem Bombenangriff die inzwischen von Nürnberg nach München verlegte Dienststelle mit allen Unterlagen vernichtet wurde. Gewiss ist, dass 1933 die Organisation „gleichgeschaltet” und mit ihrem gesamten Vermögen in den Reichsnährstand eingegliedert wurde. Alle im Verband tätigen Männer, die dem neuen Regime nicht genehm waren, wurden kaltgestellt. Dies ließ die Aufwärtsentwicklung im Vereinsleben jäh enden. 1936 wurde die Neuordnung der „Obst- und Gartenbauvereine” verkündet. Von nun an trugen alle Vereine die Bezeichnung „Gartenbauverein”, die eine Erweiterung ihrer Tätigkeit auf das Gesamtgebiet des ländlichen Gartens zum Ausdruck brachte. Im „Wegweiser” vom 28.6.1936 wurde die „Gründung des Landesverbandes der Gartenbauvereine in Bayern e. V.” mit Sitz in Nürnberg bekanntgegeben. Obwohl der Verband wieder an Selbständigkeit zurückgewann, gelang es trotz redlicher Bemühungen nicht mehr, die Arbeit fortzusetzen. Der Mangel an Saatgut und sonstiger Produktionsmittel sowie kriegsbedingte personelle Verluste brachten das Ende der Organisation. 1938 erfolgte im Zuge der „Staatsvereinfachung und Vereinheitlichung” die Umbenennung der Kreisverbände in Bezirksverbände. Die bisherigen Bezirksverbände änderten ihre Bezeichnung in Kreisverbände.
Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg
Auch die Rückschläge der zurückliegenden Jahre konnten die Ideen der Obstbaupioniere nicht abwürgen. Zu tief hatte die Erkenntnis von der Bedeutung des deutschen Obstanbaues für die Ernährung der Bevölkerung gewurzelt. Als es um Wiedergründung und Neuaufbau des zerteilten Verbandes ging, spielten Pfarrer Korbinian Aigner, Landwirtschaftsrat Gregor Friedl und Dr. Rudolf Trenkle die wichtigste Rolle. Ihnen ist zu verdanken, dass sich die Organisation von den Kriegsnöten erholte, erneut festigte und sich bereits im Februar 1946 mit der 1. Ausgabe ihrer Verbandszeitschrift unter dem geänderten Titel „Unser Wegweiser im Obstbau, Garten, Kleintierhof” wieder an die Öffentlichkeit wenden konnte.
Besonders Pfarrer Aigner, der ein immenses Potential an Idealismus investierte, verstand es, die Menschen der Nachkriegszeit zu motivieren. Dem Obstbau galt seine Liebe, und sein Zeichentalent befähigte ihn, Apfel- und Birnenfrüchte naturgetreu zu malen. Dabei gewann er ausgezeichnete pomologische Kenntnisse, die ihm später den Ruf als einem der besten Sortenkenner Deutschlands verliehen. Seine besondere Aufmerksamkeit widmete er der Jugend, die er mit praktischen und theoretischen Übungen für den Obstbau interessierte. Für den Dachverband war Pfarrer Aigner aus Hohenbercha, Landkreis Erding (heute Landkreis Freising), ein Glücksfall, besaß er doch die für den Neubeginn unverzichtbare „weiße Weste”. Bereits 1945 wurde er vom damaligen Landeswirtschaftminister mit der kommissarischen Verbandsführung betraut. Landwirtschaftrat Friedl stand ihm in organisatorischen Fragen zur Seite. Trenkle, ein Lehrersohn aus dem mittelfränkischen Weinort Bullenheim, wurde bereits 1923 zum Landesinspektor für Obst- und Gartenbau berufen, eine staatliche Stelle, die bereits um die Jahrhundertwende auf Bemühen des Landesverbandes eingerichtet worden war.
Die außergewöhnliche Situation der Zeit ermutigte Pfarrer Aigner sogar zu einem Rundfunkaufruf, in dem er die Vereine, Baumwarte und Fachleute zur Zusammenarbeit ermunterte. Denn wieder einmal galt es, die Versorgung der hungernden Bevölkerung mit Obst und Gemüse zu bewerkstelligen. Der Landesverband unterstützte die Verteilung von Gartenglas, Pflanzmaterial und Düngemitteln. 90% der Vereine mussten vor allem aus politischen Gründen ihre Vorstandschaft auswechseln. Wer Parteimitglied oder sonstwie vorbelastet war, musste – so die Forderung der Militärregierung – von der Mitgliedschaft in einem Obst- und Gartenbauverein absehen. Von jedem ehrenamtlich Tätigen verlangte man das politische Unbedenklichkeitszeugnis.
Mit merklicher Verbesserung der wirtschaftlichen Lage stellten sich dem Landesverband neue Anforderungen. Neben die Förderung des Obstanbaues traten nun verstärkt auch die Ziele der Ortsverschönerung durch mehr privates und öffentliches Grün. Waren die Gärten bis dahin reine Nutzgärten, entwickelten sie sich immer mehr zu Wohngärten mit Nutzgartenanteil.
Mit den Mitgliederzahlen ging es wieder aufwärts. Ab Januar 1950 war die neue Geschäftsstelle in München am Goetheplatz erreichbar. Ein Verlag zur Herausgabe von Fachliteratur und Broschüren wurde gegründet, die Verbandszeitschrift umbenannt in „Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau und in der Geflügelzucht”. 1952 fruchtet der Kontakt zu den Rundfunkmedien und der Verband liefert Beiträge für die Sendung „Blick über den Zaun”. Eingeführt werden die Ehrennadeln in Gold, Silber und Bronze, das Vereinsabzeichen und die Mitgliedskarte. Das Lichtbildarchiv wird wieder aufgebaut und für die Vereinsarbeit werden Plakate und Diplome angeboten.
In dieser Zeit bahnt sich die völlige Neuorientierung der Verbandsaufgaben an. Während der Erwerbsobstbau seine eigene Organisationsform sucht, eröffnet sich für den Verband ein über das ursprügliche Ziel der Obstbauförderung hinausgehendes Aufgabenfeld: Die Förderung des Selbstversorger- und Liebhabergartenbaues, die Ortsverschönerung und Landespflege. Die endgültige Trennung des Landesverbandes als Selbstversorger- und Liebhaberorganisation vom reinen Erwerbsobstbau, der ihn mehr oder weniger als unerwünschte Konkurrenz einstuft, wird Ende der sechziger Jahre vollzogen. Die Grundidee des Verbandsgründers Eyring, mit dem Obstbau den Landwirten eine neue Erwerbsquelle zu erschließen, hatte damit an Bedeutung verloren. Das Bestreben aber, die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen, ist bis heute ein grundlegendes Verbandsziel geblieben.
In der Folgezeit wird der neue Tätigkeitsbereich mit Leben erfüllt. In der Verbandszeitschrift, die ab 1964 die bis heute geltende Bezeichnung „Der praktische Gartenratgeber” trägt, erscheint 1968 erstmals die Rubrik „Sprachrohr des Landesverbandes” zur besseren Transparenz der Aktivitäten der Dachorganisation. Ab 1969 finden Vorständeseminare statt, um den Führungskräften auf Kreis- und Vereinsebene Rüstzeug für eine erfolgreiche Tätigkeit zu vermitteln. Um den direkten Kontakt des Dachverbandes zur Basis zu sichern, erfolgt 1970 die Einführung des Informationsdienstes mit fachlichen und organisatorischen Hinweisen für die Vereinsführungs- und Nachwuchskräfte. 1972 beschließt die Mitgliederversammlung die Erweiterung des Aufgabengebietes um den Bereich „Landespflege”. Der veränderten Aufgabenstellung wird 1973 mit einer Namensänderung in „Bayerischer Landesverband für Gartenbau und Landespflege” entsprochen. Damit wird öffentlichkeitswirksam bewusst gemacht, dass die Unternehmensziele des traditionsreichen Verbandes neu gesteckt und formuliert sind. 1974 erlangt der Verband die steuerliche Gemeinnützigkeit, und die neugefassten Ziele werden in der Satzung verankert: Die selbstlose Tätigkeit, die Förderung der Landespflege, Umweltschutz, Ortsverschönerung, Heimatpflege und Landeskultur.
Um die fachliche und organisatorische Arbeit in den Vereinen zu unterstützen, erstellt der Dienstleistungsbetrieb Verlag schriftliche Beratungshilfen. Die intensive Betreuung der Mitglieder mit Informationsunterlagen, die regelmäßigen Treffen mit den Vereinsführungskräften und den Kreisverbänden, die jährlichen Zusammenkünfte der Bezirksverbandsgeschäftsführer zur Abstimmung der Arbeitsschwerpunkte stärken in der Folge die Organisation zusehends und spiegeln sich in steigenden Mitgliederzahlen wider. 1976 erreicht der Landesverband die Erstellung eines Aufgabenrahmens für die Kreisfachberater zur Wahrnehmung der den „grünen Bereich” betreffenden Interessen der Landkreisbevölkerung. 1990 gelingt dem Verband aufgrund einer Gesetzesinitiative die Verankerung der Aufgaben „Gartenkultur und Landeskultur” in der Landkreisordnung. Die Kreisfachberatung wird damit zur Pflichtaufgabe der Landkreise.
Landesverband und Gartenbauvereine in der Neuzeit
Der Garten soll fruchtbar sein und die Vielfalt des pflanzlichen und tierischen Artenreichtums erhalten. Es soll die vielfach bedrohte, ja zerstörte Natur ersetzen, er soll dem gehetzten Zeitgenossen eine Oase der Ruhe und Erholung bieten. Aufgabe der Dachorganisation und der Vereine ist es, sich auf eine solche Entwicklung und die oft unbewussten Bedürfnisse der Menschen einzustellen, das rechte Maß zu finden sowie fachliche und organisatorische Hilfestellung zu geben.
Über eine halbe Million Menschen, mehr denn je in der Geschichte des Landesverbandes, haben sich in den ca. 3.300 Gartenbauvereinen zusammengefunden, um die gemeinsamen Ziele zu verwirklichen. Das einst mit der Obstbauförderung begonnene Arbeitsgebiet hat sich längst erweitert. Wichtige öffentliche Aufgaben werden wahrgenommen: Gartenkultur, Landesverschönerung, Heimatpflege, Natur- und Umweltschutz sind die zentralen und gemeinsamen Punkte für alle in unserer Organisation engagierten Menschen. Die Resonanz, die die Programme des Verbandes und die Aktivitäten der Vereine in der öffentlichkeit finden, ist dabei der Gradmesser für die Wirksamkeit der Organisation.
Der Landesverband und seine Vereine, von denen viele so alt sind wie der Verband, haben einen weiten Weg beschritten seit jenem November 1894. Sie haben in über 100 Jahren viel an Idealismus und Kraft geopfert und beigetragen zum Werden, Gedeihen und Bestehen der Organisation: Sei es für die ursprüngliche Idee, nämlich durch die Förderung des Obstanbaues die Lebensverhältnisse auf dem Lande zu verbessern, sei es durch Förderung der Gartenkultur, der Landespflege und des Umweltschutzes den neugestellten Anforderungen gerecht zu werden. Die Situation und das Weltbild haben sich gründlich geändert. Was aber bleibt und gilt, damals wie heute, ist das Bestreben, dem Allgemeinwohl zu dienen, die Lebensqualität auf dem Lande wie in der Stadt zu erhöhen. Es wird Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft sein, motivierte Menschen für die Ideen der traditionsreichen Gemeinschaft zu gewinnen, damit sie sich mit Erfolg auch den aktuellen gartenbaulichen und landespflegerischen Problemen stellen kann.
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